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Beitrag vom 18.10.2018
Ulrike Haage und Christian Meyer - Stills
Silvy Pommerenke
Die Preisträgerin des Albert Mangelsdorff-Preises (Deutscher Jazzpreis) von 2003 hat mit Christian Meyer ein erstaunliches Konglomerat von akustischen und elektronischen Tönen auf ihrem neuen Werk geschaffen. Sie füllen das Nichts mit Klängen und schaffen dadurch eine ganz eigene Welt.
Urike Haage ist äußerst umtriebig und vielseitig. Sei es, dass sie CDs aufnimmt, Mikro-Opern aufführt oder Hörspielproduktionen und Filmmusikkompositionen kreiert. Bei all den unterschiedlichen Projekten hat sie eines zum Ziel: Stille zum Klingen zu bringen. Das ist bisweilen experimentell und auf den ersten Eindruck nicht immer eingängig. Auf ihrer neuesten CD "Stills", die sie mit ihrem langjährigen Musiker-Freund Christian Meyer aufgenommen hat, ist das aber anders. Sie verknüpfen das analoge Klavier mit digitalen Klängen, und dabei ist eine wunderschöne Symbiose herausgekommen, die die Gegensätze dieser Sounds harmonisch miteinander verbindet. Nahezu meditativ werden hier Klanggebilde entwickelt, die sich von der Schnelllebigkeit des Großstadtlebens wohltuend abheben. Die beiden reduzieren ihr Spiel bisweilen auf ein Minimum und schaffen es gerade deswegen, eine Art musikalisches Stillleben - welch Wortspiel - zu gestalten. Das lässt der HörerIn genügend Zeit, den Klängen nachzugehen und sich in einer Art Kontemplation wiederzufinden. Sie verleihen "dem Augenblick Flügel…, auf dass er sich ausdehne". Der Augenblick dehnt sich tatsächlich aus, denn die Stücke sind bis zu zwölf Minuten lang, ohne dass sie dabei langatmig wirken.
Ulrike Haage gibt auch eine Gebrauchsanweisung für das Hören der CD: "Man muss sein Ohr spitzen. Das ist für mich ein ganz wesentlicher Aspekt des Hörens. Wie bei Tieren, die ihre Ohren aufrichten und dann merken, da ist etwas." Dank dieser visuellen Vorlage ist es nicht schwer, sich ein scheues Reh auf einer Lichtung vorzustellen, dass friedlich vor sich hin äst. Denn das strahlt die Musik aus: Gelassenheit, Ruhe und Geborgenheit.
So trifft auch der CD-Titel "Stills" - jede Übersetzung aus dem Englischen wie Standbilder, Stille oder beruhigen ist möglich - den Kern dieses Werkes. Die akustischen Klänge werden mit den digitalen verschmolzen, damit eine Spannung zwischen den Tönen entsteht. Denn der Ausgangsort kann nicht mehr bestimmt werden. Ist es das Klavier? Oder ist es die Elektronik? "Das führt zu einer ganz anderen Aufmerksamkeit", so Christian Meyer.
AVIVA-Tipp: "Stills" ist eine CD, die etwas Zeitloses hat, und die beim Hören die Zeit vergessen lässt. Ulrike Haage und Christian Meyer haben ein romantisches Album mit zeitgemäßen Mitteln aufgenommen, das gute Chancen auf eine Nominierung des Jazz-Albums des Jahres hat!
Die Musikerin Ulrike Haage: ist Pianistin, Komponistin und Hörspielmacherin unterrichtete nach dem Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Hamburg einige Jahre das Fach Orchesterleitung und Improvisation. Einer breiten Öffentlichkeit wurde sie als Musikerin bekannt, als sie zu den Rainbirds stieß. Neben ihrer Arbeit als Produzentin von Hörspielen, Theater- und Filmmusik ist sie als Solopianistin und Skriptautorin tätig. Gemeinsam mit der Übersetzerin Pociao gründete sie den Hörbuch-Verlag Sans Soleil. Sowohl die Soundtracks für die Dokumentarfilme Zwiebelfische, Goldrausch, Meret Oppenheim, Das verschwundene M und Landstück, als auch die Stücke für Doris Dörries Spielfilm Grüsse aus Fukushima zeichnen alle ein fast unmerkliches Verschmelzen mit den visuellen Eindrücken aus. Zu Ulrike Haages Auszeichnungen zählen der Deutsche Jazzpreis in 2003, der Sonderpreis Musik des Norddeutschen Filmpreises in 2010 und der Deutsche Dokumentarfilm Musikpreis 2014 sowie zahlreich prämierte Hörspiele. 2018 kommt es zur Uraufführung der Mikrooper Wundernetz im Museum für Naturkunde Berlin, welche eigens für die dortige Nasssammlung komponiert wurde. (Quelle: www.ulrikehaage.com)
Ulrike Haage im Netz: www.ulrikehaage.com und auf Facebook
Der Musiker Christian Meyer: auch unter dem Namen Meyermal bekannt, wurde in Brüssel geboren und lebt in Berlin. Er schreibt Musik für Tanztheater oder Film und neben der Zusammenarbeit mit Ulrike Haage ist er auch an der Seite von Stephan Wöhrmann (SWOD), Roger Doering (Orchestra Obscur) oder Tanja Ries zu finden. Meyer hat unter anderem einen Preis für die beste Filmmusik von der Jury der deutschen FilmkritikerInnen erhalten.
Christian Meyer im Netz: www.meyermal.de und auf Facebook
Ulrike Haage live mit Christian Meyer:
21.12.2018 – Berlin – Musikbrauerei - release concert
05.04.2019 – Lübeck – CVJM - Concert
Ulrike Haage und Christian Meyer - Stills
Label: bpm – blue pearls music
VÖ: August 2018
Weiterhören auf AVIVA-Berlin:
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